Placebo-Effekt: Abnehmen durch andere Gedanken – Geht das?
Täglich werden wir mit etwa 200 Gedanken zum Thema Essen konfrontiert. Soll ich oder soll ich nicht? Es spielt kaum eine Rolle, da wir 90 Prozent dieser Entscheidungen unbewusst fällen.
Milchshake-Studie
Die Teilnehmer dieser Studie durften leckere Milchshakes trinken. Dabei untersuchte die Harvard-Absolventin Dr. Crum den Ghrelin-Spiegel der Probanden.
Hinweis: Ghrelin, auch Hungerhormon genannt, ist ein appetitanregendes Hormon, das von der Magenschleimhaut und der Bauchspeicheldrüse hergestellt wird.
Die Teilnehmer mussten einen Shake trinken, der mit 0% Fett, 20 g Zucker und nur 140 Kalorien beworben wurde. Man verwendete sogenannte Magic Words, um die Aufmerksamkeit der Teilnehmer zu gewinnen. Dann bestimmten sie das Ghrelin-Level der Probanden.
Hinweis: Magic Words sind Wörter – vor allem Adjektive -, die positive und emotionale Gefühle beim Lesen hervorrufen. Sie werden insbesondere für Marketingzwecke verwendet. z.B.: zauberhaft, herrlich, einmalig.
Nach einer Woche bekamen die Studienteilnehmer einen Shake zu trinken, der mit 45% Fett, 56 g Zucker und 620 Kalorien beworben wurde. Dabei sank der Ghrelin-Spiegel dreimal mehr.
Tatsache war aber, dass die Teilnehmer jedes Mal denselben Shake bekamen (13 g Fett, 44 g Zucker und 380 Kalorien). Verblüffend, oder?
Studie bei Hotelangestellten
Ebenso untersuchte Dr. Crum 84 Hotel-Angestellte, die für die Zimmerreinigung verantwortlich waren.
Sie unterteilte die Frauen durch ein Zufallssystem in zwei vergleichbare Gruppen (Randomisierung) und bestimmte unter anderem Gewicht, Blutdruck, Körperfett und Job-Zufriedenheit.
Eine Gruppe bekam eine 15-minütige Präsentation. In dieser zeigte sie, wie viele Kalorien die Hotelmitarbeiterinnen durch die Ausführung der einzelnen Reinigungsaufgaben verbrennen würden.
Schon nach vier Wochen zeigte sich eine signifikante Verbesserung des Körperfettanteils, des Körpergewichts, des Blutdrucks und der Jobzufriedenheit der Angestellten, die in den Genuss der Präsentation gekommen waren.
Hier geht es zum Vortrag “Change your mindset, change the game” von Dr. Crum:
Mentale Beeinflussung
Quarks & Co untersuchte, ob unterschiedlich große Popcorn-Tüten den Konsum beeinflussen können. Eine Hälfte der Kinobesucher bekam eine kleine Tüte Popcorn, die anderen die Große, die doppelt so viel Popcorn enthielt.
Tatsächlich nimmt die Portionsgröße Einfluss auf unseren Appetit. Das Ergebnis: Die Kinobesucher mit der großen Tüte verzehrten durchschnittlich 30 Prozent mehr Popcorn. Nach einem Jahr hätten die Teilnehmer so 5 Kilogramm zugenommen. Für Abnehmwillige lohnt sich also bereits das Anschaffen von kleineren Tellern.
Beecher und der Placebo-Effekt
Dr. Henry Knowles Beecher kam in seinen Studien zu dem Schluss, dass 35% der Probanden auf den Placebo-Effekt ansprechen. Auf den Effekt war er als Militärarzt gestoßen.
Während des 2. Weltkriegs diente Beecher der U.S. Army in Nordafrika und Italien. Nachdem ihm das Morphin ausgegangen war, verabreichte er seinen Kameraden Kochsalzlösungen. Er erzielte mit der wirkstofffreien Lösung einen ähnlich schmerzstillenden Effekt. Der Militärarzt bekam für seine Dienste fünf Battle-Star-Auszeichnungen und 1945 die hoch dekorierte Auszeichnung Legion of Merit.
Nach seiner Zeit als Militätarzt widmete er sich ausschließlich dem Placebo-Effekt, bekannt wurde er vor allem für seinen Aufsatz The Powerful Placebo aus dem Jahr 1955.
Nocebo-Effekt
Durch negative Erwartungshaltungen können auch Krankheiten begünstigt werden. Dies bezeichnet man als Nocebo-Effekt. Obwohl die Raucherzahlen gesunken sind, haben in den letzten 10 Jahren raucherspezifische Erkrankungen zugenommen, ein Anstieg um etwa 30 Prozent, so das Statistische Bundesamt. Insbesondere kam es zu einer Zunahme von Lungen- und Bronchialkrebs.
Die Ursache für diesen Trend ist noch nicht bekannt. Es könnte durchaus sein, dass durch die aggressiven Warnhinweise auf den Zigarettenschachteln der Nocebo-Effekt geschnürt wird. Es sind auch weitere Ursachen möglich, etwa der erhöhte Konsum von Pfeifentabak, umweltbedingte Schadstoffe, eine bessere Diagnostik oder sonstige Faktoren.
Fazit
Essen und Trinken hält Leib und Seele zusammen. Das genussvolle und bewusste Essen ist ein Gute-Laune-Drops. Wer sich gesünder ernähren oder abnehmen möchte, sollte die Psyche einladen, Teil von etwas Großartigem zu sein. Der Placebo-Effekt fruchtet nicht nur bei der Applikation von Scheinmedikamenten, sondern auch beim Essen und bei körperlicher Aktivität, wenngleich die Mechanismen, die diese positiven Effekte hervorbringen, noch unverstanden sind.
Der vernünftige Mensch passt sich der Welt an; der unvernünftige besteht auf dem Versuch, die Welt sich anzupassen. Deshalb hängt aller Fortschritt vom unvernünftigen Menschen ab. George Bernard Shaw
Referenzen
“Ethics and Clinical Research” — The 50th Anniversary of Beecher’s Bombshell von Jones et al. (2016). The New England Journal of Medicine. 374:2393-2398, DOI: 10.1056/NEJMms1603756. Link zur Quelle.
Mind-set matters: exercise and the placebo effect von Crum et al. (2007). Psychological Science 18, no. 2: 165-171. doi:10.1111/j.1467-9280.2007.01867.x. Link zur Quelle.
Mir fällt es echt schwer abzunehmen, ich habe vieles versucht. Aber der Fett will einfach nicht weg. Trotzdem danke für den Beitrag.
Lg Mona