Insulinresistenz: Ursachen und Folgen endlich verstehen
Die Insulinresistenz ist das Zwergseepferdchen der Neuzeit. Sie ist ein Meister der Tarnung und Täuschung. Das ist der Grund, warum sie bei den meisten Betroffenen erst spät oder gar nicht erkannt wird.
Wenn sie dann doch mal aus dem Verborgenen aufblitzt, zeigt sie sich stets unfreundlich. Sie kann einen Typ-2-Diabetes, einen erhöhten Blutdruck, Übergewicht oder erhöhte Blutfette verursachen, die mit dem Metabolischen Syndrom, auch Tödliches Quartett oder Syndrom X, assoziiert sind.
Wenn das Insulin der Schlüssel ist, dann ist der Insulinrezeptor das Schloss. Wechselt man nun das Schloss aus, passt der Insulin-Schlüssel nicht mehr und die Glukose bleibt vor einer verschlossenen Tür. Sie ahnen es schon: Das zwecklose Schloss ist die Insulinresistenz.
Generell unterscheidet man zwei Arten der Insulinresistenz: Linke Hand. Rechte Hand. Sie ähneln sich, sind aber nicht deckungsgleich. So ist es auch bei der Insulinresistenz.
Sie kann sowohl angeboren, als auch erworben sein. Die Vererbungsrate liegt zwischen 40 und 80 Prozent, je nachdem ob ein Elternteil oder beide Eltern von einer Insulinresistenz betroffen sind.
Alles was eine Wirkung hervorbringt, hat auch Nebenwirkungen. Die Insulinresistenz kann auch eine Nebenwirkung unserer Verhaltensweise sein. Zu viel oder zu wenig und das auf die Dauer, ist oft schädlich.
Konkret heißt das: Nehmen wir dauerhaft zu viel Kalorien auf und bewegen uns nicht ausreichend, erhöht das die Wahrscheinlichkeit für die Entwicklung einer Insulinresistenz. Die Brandbeschleuniger der erworbenen Insulinresistenz heißen Viszeralfett (Eingeweidefett) und Übergewicht.
Die Ursachen sind aber noch nicht vollständig aufgedeckt. Es ist wie beim Fischen in trüben Gewässern: Entweder es ist ein Fisch an der Angel oder eben nicht.
Aber die richtige Angelausrüstung hat man bereits. Immerhin.
Eine chronisch gesteigerte Insulinfreisetzung der Bauchspeicheldrüse lässt sich nämlich durch die Bestimmung der C-Peptid-Konzentration feststellen.
Das C-Peptid wird gemeinsam mit Insulin im Verhältnis 1:1 aus der Betazelle freigesetzt und ist damit ein direktes Maß für die Sekretionsfähigkeit von Insulin.
Darüber hinaus kann ein oraler Glukose-Belastungstest Aufschluss über die Zuckerverwertung geben. Dabei bekommen Sie eine Traubenzucker-Lösung zu trinken (m = 75 g Glukose) und nach zwei Stunden wird dann der postprandiale Blutzucker bestimmt. Liegt dieser Wert über 200 mg/dl, spricht man von einem manifesten Diabetes.
Folgen der Insulinresistenz
Für Skelettmuskel und Fettgewebe
- gestörte Zucker-Aufnahme der Zellen (falsches Schloss)
- vermehrte Freisetzung von Fettsäuren ins Blut
- absterben der Betazellen durch Lipoapoptose (im späteren Verlauf)
Für die Leber
- gesteigerte Produktion von Glukose durch Glykogenolyse und Gluconeogenese
- Steigerung der Triacylglycerin- und VLDL-Synthese (Hyperlipidämie)
- Hemmung des Insulinabbaus (Hyperinsulinämie)
Von der Insulinresistenz zum Typ-2-Diabetes
Eines gleich vorweg: Eine Insulinresistenz muss nicht zwangsläufig zu einem Diabetes führen.
Hierbei spielen mehrere Faktoren eine Rolle (z. B.: genetische Prädisposition, Umweltfaktoren, Lebensstil), die vor allem im ungünstigen Zusammenspiel die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass sich ein Typ-2-Diabetes entwickelt (Gen-Umwelt-Interaktion).
Ob der Betroffene unter bestimmten Voraussetzungen einen Typ-2-Diabetes entwickelt – oder nicht, kann man daraus aber nicht zwingend ableiten.
Ablauf
Der Insulin-Schlüssel passt nicht mehr, die Tür bleibt für die Glukose vorerst zu. Weitere Glukose-Moleküle erwartet ein ähnliches Schicksal. Die Glukose reichert sich im Blut an, was einen leichten Anstieg des Blutzuckerspiegels begünstigt (Prädiabetes).
Die Bauchspeicheldrüse bemerkt, dass der Blutzucker aufgrund der Insulinresistenz ansteigt und setzt daraufhin mehr Insulin frei, um die Versorgung der Körperzellen mit dem wichtigen Brennstoff Glukose aufrechtzuerhalten. Schließlich ist Insulin das einzige menschliche Hormon, das den Blutzuckerspiegel wieder senken kann.
Damit die Bauchspeicheldrüse mehr Insulin herstellen kann, muss sie aber auch mehr Betazellen bereitstellen. Die Betazellen sind nämlich die fleißigen Produktionsstätten des Insulins. In dieser Phase kommt es also zu einer Vermehrung der Betazellen (Betazellproliferation) und zu einem Anstieg des Insulinpegels (Hyperinsulinämie).
Auf diese Weise steigt die Wahrscheinlichkeit, dass das Insulin noch einen intakten Insulin-Rezeptor findet, der den Transport der Glukose in die Zelle möglich macht. Eine Zelle besitzt schließlich Millionen von Rezeptoren mit dem gleichen Schloss.
Die Sache hat aber auch einen Haken. Die fleißigen Betazellen arbeiten ununterbrochen auf Hochtouren. Sie versuchen alles, damit der Blutzucker wieder fällt. Das geht allerdings auf die Dauer nicht gut.
Die Betazellen sterben allmählich ab, indem sie einen programmierten Zelltod einleiten. Ihr Dasein als insulinproduzierender Sklave scheint ihnen nicht mehr erstrebenswert. Diesen Vorgang bezeichnet man als Betazelldysfunktion.
Jetzt haben wir natürlich zwei Probleme: das altbekannte Problem der Insulinresistenz und das allmähliche Absterben der Betazellen. Da nun aufgrund der Betazelldysfunktion zu wenig Insulin freigesetzt wird, um den Blutzucker ausreichend zu senken, kommt es zu einem relativen Insulinmangel – und der Blutzuckerspiegel steigt weiter an. Dies ist die Phase in der im Regelfall der Typ-2-Diabetes entsteht.
Ausblick
In den Kinderbeinen befinden sich aktuell die LMPTP-Inhibitoren. Eine US-amerikanische Studie zeigte, dass ein hoch selektiver LMPTP-Hemmstoff die erworbene Insulinresistenz bei diabetischen Mäusen entkoppeln konnte.
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